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Reichsche Massage

Der österreichische Psychoanalytiker Wilhelm Reich gilt als einer der Pioniere der Geist-Körper-Revolution. Schon zu Beginn unseres Jahrhunderts erklärte Reich, daß der Körper eines Menschen seinen Gemütszustand widerspiegle, und der Gemütszustand eines Menschen sich in der Verfassung seines Körpers ausdrücke…

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Wer wütend, ängstlich oder deprimiert ist, dessen Körper übernimmt auch die deprimierte Haltung. Er ist stets empfänglich für eine Drohung von innen, und Gemütsstörungen äußern sich schließlich in körperlichen Symptomen. Läßt man zu, daß der Körper als Reaktion auf destruktive Gefühle seinen Dienst allmählich verweigert, werden die Muskeln steif, ziehen sich zusammen oder schwellen an. Je stärker sich der Körper eines Menschen verkrampft, desto schlechter wird seine Gemütsverfassung. Er gerät in einen Teufelskreis, in dem sich die emotionalen und die physischen Störungen durch wechselseitigen Einfluß verschlimmern und sich zu einem Zustand der Starre und Kraftlosigkeit verhärten. Kein schönes Bild.

Dies wollte Reich mit einer neuen Therapie – einer besonderen Art von Psychoanalyse, die Körperarbeit mit einbezieht – auffangen.

Reich begann als Schüler Sigmund Freuds, wandte sich in seinem unsteten Berufsleben aber auch vielen anderen Gebieten zu. Seine Ideen bescherten ihm immer wieder politische Unannehmlichkeiten und brachten ihn manchmal in ernste Schwierigkeiten. Er starb 1957 im Gefängnis von Lewisburg, Pennsylvanien.

Trotz all dieser Probleme scharte sich um Reich ein erlesener Kreis von Anhängern und Bewunderern, die heute noch Ansehen genießen; beispielsweise war er Lehrtherapeut von Fritz Perls, dem Begründer der Gestalttherapie. Reichs Werk ist in unsere Kultur eingegangen und hat vor allem die Psychotherapie beeinflußt.

Reich trennte sich von Freud, als er zu der Überzeugung gelangte, daß die meisten körperlichen Störungen durch eine Blockade des Energieflusses verursacht würden. Emotionen und sexuelle Gefühle existieren im Körper in Form von Energie, meinte er, und wenn man die Gefühle blockiert, blockiere man gleichzeitig die Energie. Seiner Auffassung nach bauen die Muskeln eine Art Panzer im Körper auf, um sich gegen die Emotionen zu verteidigen und den Energiefluß entlang der Körperachse zu verhindern. Völlige sexuelle Entspannung, die zur Aufrechterhaltung des Energiegleichgewichts beiträgt, ist unmöglich oder schwierig, wenn diese Verteidigungen sich festgesetzt haben und erstarrt sind. Das Ziel der Reichschen Therapie ist es, diesen Panzer zu zerschlagen, die Konflikte und die aufsteigenden Gefühle zu analysieren, abgeblockte Emotionen zu befreien und zur Wiedererlangung einer befriedigenden Sexualität beizutragen.

Erst die körperliche Panzerung und dann die Psychoanalyse, sagte Reich. Wenn man zuerst die Muskelspannung beseitigt, kann man einer schnelleren emotionalen Genesung sicher sein.

Reich brachte die verschiedenen Emotionen mit verschiedenen Körperregionen in Verbindung. Dies ist einer der Gründe, warum die Reichsche Massage eine stark spezialisierte Technik ist. Die muskuläre Panzerung verläuft laut Reich in Ringen über Augen, Mund und Kinn, Zwerchfell, Bauch und Becken. Jeder Ring ergibt sich durch eine Kontraktion von Muskelbündeln, und jeder steht mit verschiedenen Ego-Verteidigungsmechanismen in Beziehung.

Die Reichsche Körperarbeit erfolgt von oben nach unten. Sie beginnt an höheren Abschnitten und geht dann, im Rahmen einer Reihe von Therapiesitzungen, zu den unteren über, weil Reich glaubte, daß die komplizierten Blockaden im Becken als letzte aufgelöst werden sollten.

Bei der Feststellung, wo sein Klient blockiert ist, läßt sich der Therapeut von seinen eigenen Wahrnehmungen leiten und widmet den Problemzonen mehr Zeit. Normalerweise ist seine Massage alles andere als sanft —. sie ist vielmehr ein kraftvolles Kneten, ein Schieben und Ziehen der Haut, das oft mit starkem Fingerdruck abwechselt. Dies alles dient dazu, die zähen Blockaden aufzulösen. Gelegentlich wendet der Therapeut leichteres Streichen oder andere Formen der Berührung an, je nachdem, wie es um den Klienten steht, in welcher Phase der Therapie er sich befindet und was er speziell benötigt. Genau wie in der Psychoanalyse, ist auch hier die Erfahrung des Therapeuten sehr wichtig.

Grundlage der Reichschen Massage ist der Fingerdruck, den eine Vielzahl anderer Techniken für verschiedene Körperteile ergänzt: Augenbewegungen und wechselnder Gesichtsausdruck sollen die Panzerung aufweichen und Gefühle hervorlocken. Man löst den Würgereflex aus, um Blockaden in Rachen und Kehle zu lockern und die dort gefangene Wut und Trauer herauszuholen. Töne – Kreischen, Schreien und Stöhnen – und Bewegungen – Stoßen, Stampfen, Umsichschlagen – sollen die Gefühlsäußerung und den Energiefluß wiederherstellen.

Nachdem Reich seine Spezialtherapie entwickelt hatte, versuchte er, mehr über die Art der Sexual- oder Lebensenergie, die er freisetzen wollte, in Erfahrung zu bringen. Er gelangte zu der Überzeugung, daß sie allgegenwärtig sei – nicht nur als die Kraft in lebenden Organismen, sondern auch als Fluidum im Kosmos. Diese Energie nannte er „Orgon“, führte Experimente durch, um ihre Existenz als objektive Wirklichkeit zu beweisen, und erfand dazu den „Orgonakkumulator“. Es handelte sich um eine einfache kastenartige Vorrichtung, die eine höhere Ladung Energie anziehen und ins Kasteninnere leiten sollte. Dort konnten Menschen sitzen und in den Genuß der Heileigenschaften der Energie kommen. Dieser Orgonkasten brachte Reich große Schwierigkeiten ein.

Die moderne Medizin nahm von Reichs klinischer und experimenteller Arbeit größtenteils kaum Notiz. Vieles davon wurde mißdeutet oder aus dem Kontext gerissen. Seine Auffassungen galten als extremistisch oder sogar wahnsinnig. Doch die Reichsche Massage ist noch immer sehr lebendig, mehrere Generationen von Reichianern haben sie weiterentwickelt und ausgeweitet. Und heute schenkt man seinen Ideen – die allerdings etwas gemäßigt wurden – mehr Glauben.

Seine Energietheorien – den Orgonakkumulator einmal ausgenommen – sehen für westliche Augen nicht mehr ganz so seltsam aus. Sie haben viel mit den Vorstellungen der östlichen Medizin von einer „Universalenergie“ gemeinsam, und Reich zählte zu den ersten, die östliche Ideen in westliche Systeme integrierten. Er brachte Freudsche Gedanken über das Unbewußte in das Energiekonzept ein und legte anschließend wissenschaftliche Arbeiten über die Existenz und über die Natur der Energie vor.

Die Reichsche Massage sollte nur von darin ausgebildeten Therapeuten als wesentlicher Bestandteil eines gesamten Psyche-Körper-Programms versucht werden, das auch die Gesprächstherapie mit einbezieht. Die aufgrund der Körperarbeit freigesetzten emotionalen Energien können sehr stark sein, deshalb sind die Gegenwart und die Hilfe eines erfahrenen Therapeuten nötig.

Geeignete Anwendungsgebiete:

  • Psychische Schwierigkeiten, die mit physischer Spannung einhergehen;
  • Neigung zu psychosomatischen Leiden (psychische Konflikte führen zu spezifischen körperlichen Störungen oder Erkrankungen, die von Kopfschmerzen bis Krebs reichen);
  • Sexuelle Hemmungen oder Funktionsstörungen, die erfordern, daß der Patient Kontakt mit seinen körperlichen Empfindungen erlangt und sich zusätzlich einer verbalen Analyse unterzieht;
  • Wenn die verbale Psychotherapie die emotionalen Hemmungen nicht zudurchbrechen vermochte.

Zur Massenpsychologie des Faschismus: hagalil.com/archiv/2007/11/reich.htm

Fundamentalisten und Faschisten:
Einig in der Sexualabwertung

Leugnet die Religion das sexualökonomische Prinzip überhaupt, verurteilt sie das Sexuelle als eine internationale Erscheinung des Menschentums, von dem nur das Jenseits erlösen könne, so verlegt der nationalistische Faschismus das Sexuellsinnliche in die „fremde Rasse“, sie so gleichzeitig erniedrigend…

Wilhelm Reich:
Sex! Pol! Energy!
Er zählt zu den umstrittenen Wissenschaftlern des 20. Jahrhunderts, seine Theorien erlebten in der Studentenbewegung der 1968er eine Renaissance und sind bis zum heutigen Tag viel diskutiert — Wilhelm Reich…


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